Miniaturen sind naturgemäß recht klein (Überraschung!) und vor allem dann, wenn wir sie von einer gewissen Distanz aus betrachten (beispielsweise während wir sie in einem Tabletop-Spiel wie Warhammer einsetzen), verschwimmen ihre Konturen und ihre Details gehen für uns als Betrachter verloren. Ein Ziel vieler Bemaler ist es also, die Konturen und Details einer solchen Figur durch die Art und Weise der Bemalung hervorzuheben. Eine hervorragende Technik, um diese Ziel zu erreichen, ist das Setzen von Kantenakzenten (edge highlighting).
- Theoretische Überlegung
- Funktion von Kantenakzenten am Modell
- Pinselführung beim edge highlighting
- Farbkonsistenz und -auswahl
Theoretische Überlegung
Wie der Name schon verrät, setzen wir bei dieser Technik unsere Highlights an den schärfsten Kanten eines Modells. Im Wesentlichen geht dieses Vorgehen auf das Phänomen zurück, das man beobachten kann, wenn sich Licht auf einer halbwegs reflektierenden Oberfläche bricht: An der Kante dieser Oberfläche erscheint eine helle Linie. Das Beispiel oben zeigt die Kante meines Schreibtisches, an der das Licht meiner Schreibtischlampe reflektiert wird.
Funktion von Kantenakzenten am Modell
Beim edge highlighting greifen wir dieses Phänomen auf und treiben es noch auf die Spitze, um den Kontrast auf dem Modell zu erhöhen und somit dessen Konturen und Details zu betonen. Das Beispiel oben verdeutlicht dies recht gut. Natürlich erkennt man auch auf der linken Version, dass Kristalle dargestellt werden sollen, doch rechts werden die einzelnen Flächen der Kristalle durch die Kantenlinien viel deutlicher von einander abgegrenzt.
Es gibt Bemalstile, deren wichtigstes stilistisches Merkmal Kantenakzente sind. Schaut man sich beispielsweise die Modelle im White Dwarf oder auf den Verpackungen von Games Workshop an, erkennt man schnell, dass die Bemalung dieser Modelle von ihren Kantenakzenten lebt. Dabei wird häufig jede einzelne Kante bemalt – egal ob sich darauf in der Realität eine Lichtquelle spiegeln würde oder nicht.
Die Entscheidung, ob man diesen Stil einer eher realistischeren Bemalung vorzieht oder nicht, ist letztendlich reine Geschmackssache.
Pinselführung beim edge highlighting
Äußere Kanten
Die Kunst beim Setzen von Kantenakzenten ist, sich das Leben nicht unnötig schwer zu machen und die Form des Modells für sich zu nutzen. Vor allem dann, wenn es sich bei den zu bemalenden Kanten um äußere Kanten des Modells handelt, erfordert diese Technik wenig Übung. Mit „äußeren Kanten“ meine ich dabei die Kanten der Figur, die man mit dem Pinsel erreichen, ohne Gefahr zu laufen, andere Bereiche aus Versehen mit anzumalen.
Bevor man wirklich Farbe mit dem Pinsel aufnimmt, sollte man das Modell erst einmal ein wenig in der Hand hin und her drehen. Auf diese Weise lässt sich am besten herausfinden, von welchem Winkel aus man eine bestimmte Kante am besten erreichen kann. (Natürlich gibt es oftmals auch mehr als eine sinnvolle Möglichkeit. Im Zweifelsfall entscheidet man sich einfach für die bequemste Position.)
Und nun der entscheidende Tipp: Hat man sich für einen Winkel entschieden, trägt man die Farbe mit der Seite der Pinselhaare auf – nicht mit der Spitze. Hierzu streicht man ganz sachte mit dem Pinsel die Kante entland. Der zu bemalende Bereich ist sehr schmal und man benötigt keinerlei Druck, um dort Farbe abzustreifen.
Wenn sich die Pinselhaare am Modell biegen, drückt man zu sehr auf. Das Ergebnis wäre im günstigesten Fall ein ungleichmäßig dicker Kantenakzent. Im ungünstigsten Fall würde sich die Farbe an dieser Stelle zu einem kleinen Tropfen sammeln und unkontrolliert über das Modell laufen.
Ein weiterer hilfreicher Tipp ist, dass man darauf achten sollte, wie die Pinselspitze geform ist. In nahezu allen anderen Situationen möchten wir, dass unser Pinsel in einer perfekten Spitze endet (die obere Spitze in dem Beispielbild). Das edge highlighting der äußeren Kanten gelingt jedoch mit einer flachen bzw. plattgedrückten Spitze noch einfacher (die untere Spitze im Beispiel), denn eine breite Spitze liegt besser auf den Kanten auf. Nachdem man etwas Farbe mit dem Pinsel aufgenommen hat, streicht man diesen mit leichtem Druck über ein Blatt Papier oder seine Palette und erzeugt auf diese Weise eine spachtelartige Form.
Innere Kanten
Nicht jedes Modell macht uns das Leben so leicht, wie die Kristalle auf den Bildern weiter oben. Vor allem dann, wenn man sich dazu entscheidet, wirklich jede Kante auf einem Modell mit einem Highlight zu versehen, wird es einem nicht immer gelingen, eine Kante durch drehen nach außen zu verlagern.
Nehmen wir zum Beispiel Games Workshops ikonische Space Marines: Häufig werden ihre Schulterpanzer mit einem inneren Kantenakzent versehen. Dieser erhöht den Kontrast auf dem Schulterpanzer (zwischen der Hauptfläche und der Vertiefung am Rand) und lässt das Modell schlichtweg noch etwas interessanter aussehen.
Um diese Linie zu ziehen, helfen die oben genannten Tipps wenig weiter. Weder das Malen mit der Seite der Pinselhaare noch das Verwenden einer breiten Pinselspitze funktioniert hier. Stattdessen muss mit einer echten Pinselspitze gearbeitet werden. Entscheidend ist, dass man einer stabile Position findet, in der die Hände so wenig wie möglich zittern können. (Ellenbogen auf dem Tisch, Handballen oder Handkanten gegeneinander gedrückt – dazu jedoch ein andermal mehr.) Sollte die Linie zu dick geraten, ist dies kein Problem, da man solche Unsauberkeiten später problemlos ausbessern kann. Dies setzt allerdings die richtige Farbkonsistenz voraus.
Farbkonsistenz und -auswahl
Die Farbe sollte noch ein klein wenig flüssiger sein als beim sonstigen Schichten – jedoch nicht so dünnflüssig, dass man die Kontrolle darüber verliert. Hier sollte man einfach ein klein wenig experimentieren. Der Vorteil einer etwas dünneren Konsistenz liegt darin, dass die Farbe problemlos am Modell abgestreift werden kann. Zudem kann es gerade bei den inneren Kantenakzenten schnell einmal zu kleineren Unsauberkeiten kommen. Diese lassen sich besonders leicht entfernen, wenn die Highlights nicht zu dickflüssig aufgetragen werden: Man zieht einfach einen Pinselstrich mit der Grundfarbe direkt am eigentlichen Kantenakzent entlang und übermalt auf diese Weise alle unerwünschten Verdickungen.
Was die genaue Farbwahl angeht, so sollte man sich immer die Frage stellen, wie viel Kontrast man auf seinem Modell erreichen möchte. Man sollte jedoch die Kantenakzente nicht zu subtil bemalen, da diese ansonsten im Gesamtergebnis kaum zur Kenntnis genommen werden. Natürlich bietet es sich auch beim edge highlighting an, in Schichten zu arbeiten und die spitzesten oder am höchsten liegenden Kanten noch heller zu bemalen als alle anderen Kantenakzente.
In der Regel ist es sinnvoll, die Kantenakzente mindestens so hell wie das hellste sonstige Highlight zu wählen.
Die Kristallkonstrukte oben habe ich größtenteils mit einem Airbrush bemalt. Ich bin dabei folgendermaßen vorgegangen: Nachdem ich das Modell grau (Surface Primer Grey von Vallejo) grundiert hatte, sprühte ich die steinernen Elemente schwarz (Abaddon Black Air von GW) an und achtete dabei darauf auch immer einen Teil der Kristalle zu treffen (als eine Art negatives Pre-Shading). Als Grundfarbe für die Kristalle verwendete ich Warlord Purple (Vallejo Game Air), das ich dann mit Squid Pink (Vallejo Game Air) zu den Spitzen hin aufhellte. Die äußersten Spitzen akzentuierte ich dann noch vorsichtig mit Weiß (Dead White von Vallejo Game Air).
Die Kantenakzente wurde dementsprechend alle mit Dead White gezogen. Zwar wäre es theoretisch auch möglich gewesen, die Kantenakzente mit einer Mischung aus Squid Pink und Dead White zu bemalen und die Kanten an den äußersten Spitzen noch einmal mit Weiß nachzuziehen, doch hätte das Modell dadurch an Kontrast eingebüßt und da Kristalle ja stark reflektierende Gegenstände sind, erschien mir der stärkere Kontrast sinnvoll.
Es wird Zeit, dass ich diese Technik übe und in mein Repertoir aufnehme. Es scheint mit etwas Übung recht einfach aber sehr wirkingsvoll zu sein.
Rein zum Verständniss: Wenn ich ein Drybrushe mit und nur die aller äußersten Kannten erwische habe ich doch auch „Edge Highlighting“, richtig? Es ist zwar eher grob aber der Effekt ist doch ziemlich der selbe. Ist das einer der berühmten Schnittpunkte von Techniken?
Danke für die ausführliche Beschreibung 😉
Gruß Christoph
Hallo Christoph,
ja, deine Überlegungen sind – meinem Verständnis nach – korrekt. Beim von mir oben vorgestellten Vorgehen wird, wie du das ja richtig bemerkt hast, das Ergebnis deutlich sauberer ausfallen. Aber beim Trockenbürsten geht es letztendlich (in der Regel) auch darum, helle Highlights auf einem dunklen Untergrund zu setzen. Die Wahl der Technik wird dabei maßgeblich auch von der zu bemalenden Struktur beeinflusst. Das Fell eines Hundes würde man normalerweise nicht mit einzelnen Kantenakzenten highlighten, da man dafür jedes modellierte Haar einzeln bemalen müsste. Hier wäre dann Drybrushing das Mittel der Wahl. Auf der anderen Seite würde ich eine Ritterrüstung mit vielen klaren Kanten und glatten Flächen eher nicht trockenbürsten, da mir das Ergebnis zu unsauber wäre.
Beide Beispiele sind aber nur Tendenzen und ich habe schon Beispiele für das genaue Gegenteil gesehen. Das hängt dann auch vom gewünschten Ergebnis ab.
Genau so habe ich das verstanden und gemeint 😉
Ich male gerne die Rüstungen meiner Zombies und Skelette erst in Rostbraun an und drybrushe anschließend mit einer Metallic Farbe die Kanten. Dadurch erziele ich wieder eine metallische Optik und habe gleichzeitig die Kanten akzentuiert. Das ist eine recht einfach Methode um etwas gleichzeitig total verrostet aussehen zu lassen aber trotzdem den metallischen Charakter beizubehalten. Das ist auch an der Realität angelehnt, weil eher an den Kanten der Rost abgekratzt wird und das blanke Metall wieder erkennbar ist. Es ist also eher eine Variante mit „schmutzigerem“ Endergebnis.
Die Techniken sind nichts neues und von dir auch beschrieben. Für mich ist dieser Austausch wichtig um das Schwarz / Weiß Denken, was ich beim Washing, Acryl Artikel bereits erwähnt hatte, abzulegen. Außerdem auch das denken, dass ich zum Kanten akzentuieren drybrushen muss. Vlt. ist das wiederum das Denken was zum schlechten Ruf vom Drybrush beigetragen hat ;).
Ich merke wie langsam das Bewusstsein in mir wächst, dass es wichtig ist zu überlegen an welcher Stelle einer Mini welche Technik das gewünschte Ergebnis am besten erzielt. Dabei muss man sein eigenes Können sowie die Beschaffenheit der Oberfläche berücksichtigen. Und genau das ist das was du in gefühlt jedem Artikel predigst. Ich wachse und reife in meinen Malfähigkeiten beim Lesen deiner Artikel und an meinem Austausch mit dir. Danke dafür! (Vielleicht bin ich irgendwann so weit, dass ich dir nicht mehr so viel schreibe ^^)
Hallo Christoph,
sobald du für dich alle Fragen geklärt hast, werde ICH DICH mit Fragen löchern. Ich hätte da nämlich noch ein paar. Um diesen Austausch kommst du kaum noch drum herum. 😉
Die Planung, die du ansprichst, ist sicherlich (neben verbesserter Pinselführung) der Hauptgrund, warum es erfahreneren Malern gelingt, in weniger Zeit mehr Modelle besser zu bemalen als Einsteiger im Hobby.
Virle Grüße!